Discussion:
Was ist Isotropie?
(zu alt für eine Antwort)
Jan Handwerker
2004-05-11 16:17:53 UTC
Permalink
Liebe Leute,

die Frage klingt so trivial, aber sie ist es nicht wirklich.

Isotropie bedeutet, dass die Physik sich unter Drehungen nicht ändert.

Leider habe ich davon keine schöne, mir verständliche, mathematische
Beschreibung gefunden. Deshalb mal so einfach ein paar Fragen:

Kann ein Vektorfeld isotrop sein? Bis auf Ausnahmen (Null-Vektor oder global
am Ursprung \vec{r}) denke ich, dass das Vektorfeld eine bestimmte
Raumrichtung auszeichnet. Also kann es kein Isotropes Geschwindigkeitsfeld
geben.

Kann es ein skalares Feld geben, das isotrop aber nicht homogen ist?

Irgendwie war das in der Vorlesung damals einfacher...

Gruß
Jan
Michael Dahms
2004-05-11 16:32:34 UTC
Permalink
Post by Jan Handwerker
Isotropie bedeutet, dass die Physik sich unter Drehungen nicht ändert.
Auf Eigenschaften bezogen bedeutet das, daß sie unabhängig von der
betrachteten Richtung sind.
Post by Jan Handwerker
Also kann es kein Isotropes Geschwindigkeitsfeld
geben.
Hm. Der Gasdruck ist meines Wissens isotrop.
Post by Jan Handwerker
Kann es ein skalares Feld geben, das isotrop aber nicht homogen ist?
Isotropie ist bei skalaren Größen kein angemessenes Konzept.

Michael Dahms
Wolfgang Kouker
2004-05-11 21:35:48 UTC
Permalink
Post by Michael Dahms
Hm. Der Gasdruck ist meines Wissens isotrop.
Post by Jan Handwerker
Kann es ein skalares Feld geben, das isotrop aber nicht homogen ist?
Isotropie ist bei skalaren Größen kein angemessenes Konzept.
wat denn nu? Iss isotropie bei Skalaren angemessen oder der Gasdruck
kein skalar?

Jut, Gasdruck (p) iss kein Skalar sondern eine Komponente des
Spannungstensors (P) mit P = p*I, I Einheitstensor. Aber dat iss ja nu
och nich der Bringer, oder?

Gruss, Wolfgang, sons unwissend ueber isotropie...
Hendrik van Hees
2004-05-11 21:54:15 UTC
Permalink
Post by Wolfgang Kouker
Post by Michael Dahms
Hm. Der Gasdruck ist meines Wissens isotrop.
Post by Jan Handwerker
Kann es ein skalares Feld geben, das isotrop aber nicht homogen ist?
Isotropie ist bei skalaren Größen kein angemessenes Konzept.
wat denn nu? Iss isotropie bei Skalaren angemessen oder der Gasdruck
kein skalar?
Jut, Gasdruck (p) iss kein Skalar sondern eine Komponente des
Spannungstensors (P) mit P = p*I, I Einheitstensor. Aber dat iss ja nu
och nich der Bringer, oder?
Gruss, Wolfgang, sons unwissend ueber isotropie...
Isotropie: Unabhängigkeit von der Richtung
Homogenität: Unabhängigkeit vom Ort

Ein Druck ist in der Tat i.a. kein Skalar, sondern die Diagonalkomponenten
des Spannungstensors. Dieser ist aber bei Fluiden wegen der Isotropie
desselben in der Tat diagonal und alle drei Komponenten sind gleich, so daß
wir hier tatsächlich ein skalares Feld haben, das den Druck beschreibt.
--
Hendrik van Hees Cyclotron Institute
Phone: +1 979/845-1411 Texas A&M University
Fax: +1 979/845-1899 Cyclotron Institute, MS-3366
http://theory.gsi.de/~vanhees/ College Station, TX 77843-3366
Ralf Kusmierz
2004-05-11 22:42:29 UTC
Permalink
X-No-Archive: Yes
Post by Hendrik van Hees
Ein Druck ist in der Tat i.a. kein Skalar, sondern die Diagonalkomponenten
^
der Mittelwert der
Post by Hendrik van Hees
des Spannungstensors.
Oder auch kurz die Spur (geteilt durch 3) - eine der Invarianten
dieses Tensors unter regulären Transformationen.
Post by Hendrik van Hees
Dieser ist aber bei Fluiden wegen der Isotropie
desselben in der Tat diagonal und alle drei Komponenten sind gleich, so daß
wir hier tatsächlich ein skalares Feld haben, das den Druck beschreibt.
Stimmt, ist aber "reiner Zufall" ;-)


Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
gesamt heraus Immission interessiert korreliert korrigiert Laie
nämlich offiziell parallel reell Satellit Standard Stegreif voraus
Hendrik van Hees
2004-05-11 23:31:12 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
X-No-Archive: Yes
Post by Hendrik van Hees
Ein Druck ist in der Tat i.a. kein Skalar, sondern die
Diagonalkomponenten
^
der Mittelwert der
Post by Hendrik van Hees
des Spannungstensors.
Oder auch kurz die Spur (geteilt durch 3) - eine der Invarianten
dieses Tensors unter regulären Transformationen.
Ok, wenn man Druck so definiert, ist er immer ein Skalar(feld).
Post by Ralf Kusmierz
Post by Hendrik van Hees
Dieser ist aber bei Fluiden wegen der Isotropie
desselben in der Tat diagonal und alle drei Komponenten sind gleich, so
daß wir hier tatsächlich ein skalares Feld haben, das den Druck
beschreibt.
Stimmt, ist aber "reiner Zufall" ;-)
Nein, nein! Das ist Folge der Isotropie. Die Sache verhält sich ja so
(hoffentlich kriege ich das jetzt richtig hin; wir befinden uns in der
nichtrelativistischen Elastizitäts- bzw. Fluidmechanik, ein für mich etwas
entlegenes Gebiet, also korrigiert mich, wenn was falsch ist).

Es geht um folgendes: Man denke sich aus einer Flüssigkeit bzw. einem
Festkörper im Rahmen einer Kontinuumstheorie eine beliebige infinitesimale
Fläche herausgegriffen. Die hat einen Flächenvektor d \vec{A}, der
senkrecht auf dieser Fläche steht und eine "Länge", die dem Flächeninhalt
entspricht. Dann ist die Kraft, die auf diese Fläche wirkt, durch den sog.
Spannungs-Dehnungstensor gegeben (in Komponentenschreibweise):

F_{k}=\sigma_{kl} dA_l

Alle Indizes schreibe ich jetzt unten, was eigentlich schlampig ist, im
euklidischen Rahmen aber mal erlaubt sei.

Dann betrachtet man einen kleinen Tetraeder, der ein Volumen aufspannt. An
dem muß, wenn man die Kräfte- und Drehmomentenbilanz aufstellt herrschen.
Daraus folgt die Symmetrie des Spannungstensors:

\sigma_{kl}=\sigma_{lk}

Es ist klar, daß F_k und \sigma_{kl} vom Ort abhängen, an dem man das
Flächenstückchen dA betrachtet. Da die Kraft ein Vektor und der
Flächenvektor ebenfalls ein Vektor ist, muß \sigma ein symmetrischer Tensor
2. Stufe sein.

Den kann man aber noch weiter hinsichtlich seines Transformationsverhaltens
unter Drehungen zerlegen, nämlich in ein Skalarfeld und ein Feld zur
4-dimensionalen Darstellung (entsprechend einer
Drehimpulsbetragsquantenzahl 2 in der QT, hier aber bzgl. kartesischer
Koordinaten ausgedrückt, was natürlicher hier natürlicher ist als nach
komplexen Eigenvektoren der z-Komponente des Spins). Das Skalarfeld ist
durch die Spur gegeben (die eine Invariante, also ein Skalar ist, wie es
für ein Skalarfeld ja sein muß), und ein spurfreies Tensorfeld 2. Stufe,
entsprechend der Identität:

\sigma_{kl}=p \delta_{kl} + (\sigma_{kl}-p \delta_{kl})

Daraus erkennt man, daß in der Tat, 3 p=Tr \sigma sein muß, damit die
Klammer auf der rechten Seite verschwindet.

Ist der betrachtete Körper isotrop (was bei Gasen und Flüssigkeiten der Fall
ist), ist \sigma_{kl}=p \delta_{kl}, weil ja definitionsgemäß keine
Richtungen irgendwie ausgezeichnet sind.

Im anisotropen Fall, kann man den Tensor immerhin mit Orthogonaltrafos
(Hauptachsentrafos) diagonalisieren, was dann ein bestimmtes
Koordinatensystem auszeichnet (die Hauptspannungsrichtungen, oder wie das
heißt).

Im relativistischen Kontext geht dieses ganze Konzept in den
vierdimensionalen Energie-Impulstensor auf. Der Spannungstensor ist dann
der raum-räumliche Anteil.

Beispiel: In der Elektrodynamik wird diese Rolle von dem (Belinfanteschen
eichunabhängigen und symmetrischen) Energie-Impulstensor übernommen. In dem
Fall ist der raum-räumliche Anteil der Maxwellsche Spannungstensor.

In der ART ist der zum symmetrischen Energie-Impuls-Vierertensor ergänzte
Spannungstensor die Quelle, an die die Gravitation im Sinne der Minimalen
Ankopplung des Gravitonenfeldes an die Materie (notwendig universell!)
koppelt.

Im Spiegel stand soeben zu lesen, daß man durch Neuvermessung der
Erde-Monddistanz diese Universalität (maW. also das Äquivalenzprinzip)
einem neuen Präzisionstest unterziehen will. Ergibt sich da eine
Abweichung, wäre Einsteins ART falsch und damit die Gravitation nicht durch
ein masseloses Spin-2-Feld zu beschreiben. Das wäre eine ziemliche
Sensation, aber warten wir mal ab, die Eichprinzipien haben sich als sehr
hartnäckig gegen Widerlegungsversuche erwiesen. Sie sind zu schön, um
wirklich falsch zu sein ;-)).
--
Hendrik van Hees Cyclotron Institute
Phone: +1 979/845-1411 Texas A&M University
Fax: +1 979/845-1899 Cyclotron Institute, MS-3366
http://theory.gsi.de/~vanhees/ College Station, TX 77843-3366
Michael Dahms
2004-05-12 06:06:35 UTC
Permalink
Post by Hendrik van Hees
Im anisotropen Fall, kann man den Tensor immerhin mit Orthogonaltrafos
(Hauptachsentrafos) diagonalisieren, was dann ein bestimmtes
Koordinatensystem auszeichnet (die Hauptspannungsrichtungen, oder wie das
heißt).
Heißt so beim Spannungstensor.

Michael Dahms
Michael Dahms
2004-05-12 06:05:07 UTC
Permalink
Post by Wolfgang Kouker
Iss isotropie bei Skalaren angemessen
Nein.
Post by Wolfgang Kouker
oder der Gasdruck
kein skalar?
Jut, Gasdruck (p) iss kein Skalar sondern eine Komponente des
Spannungstensors (P) mit P = p*I, I Einheitstensor. Aber dat iss ja nu
och nich der Bringer, oder?
Es ist immer wieder hilfreich, sich daran zu erinnern, daß p eine
Komponente des Spannungstensors ist.

Michael Dahms
Jan Handwerker
2004-05-12 10:02:59 UTC
Permalink
Hallo!

Zunächst einmal vielen Dank für die Antworten. Allerdings, Hendrik, wollte
ich das kleine aber feine Problem der Isotropie lösen und nichts über die
Gravitation wissen. Verwirr mich doch nicht so...
Post by Michael Dahms
Post by Jan Handwerker
Isotropie bedeutet, dass die Physik sich unter Drehungen nicht ändert.
Auf Eigenschaften bezogen bedeutet das, daß sie unabhängig von der
betrachteten Richtung sind.
Post by Jan Handwerker
Also kann es kein Isotropes Geschwindigkeitsfeld
geben.
Ist das jetzt richtig oder falsch? Kann es ein isotropes Vektorfeld geben
(außer dem Nullvektor?) oder sind Vektorfelder schon deshalb anisotrop,
weil der Vektor ja eine Richtung auszeichnet?
Post by Michael Dahms
Isotropie ist bei skalaren Größen kein angemessenes Konzept.
Wieso nicht? Weil dann Isotropie und Homogenität quasi identisch werden?
Wenn ich in einem Temperaturfeld mich drehen und wenden kann, ohne dabei
Unterschiede zu sehen, dann ist das Temperaturfeld sicher isotrop aber
(vorausgesetzt dass gilt für jeden Ort im Raum) auch gleichzeitig homogen.

Für einen Tensor 2. Stufe T habe ich die einfache Definition gefunden, der
isotrope Anteil sei spur(T)/3 E, wobei die 3 den drei Dimensionen
entspricht (entsprechend bei anderer Dimensionalität eben angepasst) und E
der Einheitstensor ist.

D.h. wieder soviel, dass der sich wie ein Skalar verhaltene Teil eines
Tensors 2. Stufe isotrop ist.

Dann könnte man natürlich auch sagen, ist jedes Skalarfeld, da es sich
schreiben lässt als Skalar*Einheitstensor 2. Stufe, isotrop.

Was ist denn nun richtig?

Oder kommt man irgendwann an den Punkt wo es immer heißt: "Dieser
Sachverhalt ist isotrop in dem Sinne, dass..."?

Verwirrter Gruß
Jan
Michael Dahms
2004-05-12 12:10:54 UTC
Permalink
Post by Jan Handwerker
Kann es ein isotropes Vektorfeld geben
(außer dem Nullvektor?) oder sind Vektorfelder schon deshalb anisotrop,
weil der Vektor ja eine Richtung auszeichnet?
Wenn ale Richtungen gleich wahrscheinlich sind (Bewegung von
Gasmolekülen), dann haben wir Isotropie.

Michael Dahms
Jan Handwerker
2004-05-13 09:39:56 UTC
Permalink
Post by Michael Dahms
Post by Jan Handwerker
Kann es ein isotropes Vektorfeld geben
(außer dem Nullvektor?) oder sind Vektorfelder schon deshalb anisotrop,
weil der Vektor ja eine Richtung auszeichnet?
Wenn ale Richtungen gleich wahrscheinlich sind (Bewegung von
Gasmolekülen), dann haben wir Isotropie.
Dann haben wir zu jedem Zeitpunkt ein anisotropes Geschwindigkeitsfeld,
dessen Statistik aber isotrop ist, oder?

Gruß
Jan
Michael Dahms
2004-05-13 12:16:40 UTC
Permalink
Post by Jan Handwerker
Post by Michael Dahms
Wenn ale Richtungen gleich wahrscheinlich sind (Bewegung von
Gasmolekülen), dann haben wir Isotropie.
Dann haben wir zu jedem Zeitpunkt ein anisotropes Geschwindigkeitsfeld,
dessen Statistik aber isotrop ist, oder?
Würde ich so sagen. Statistische Isotropie nennt man auch
Quasi-Isotropie. Die wird beispielsweise auch vielfach bei den
mechanischen Eigenschaften von Metallen angenommen.

Michael Dahms
Hendrik van Hees
2004-05-13 15:18:00 UTC
Permalink
Post by Jan Handwerker
Dann haben wir zu jedem Zeitpunkt ein anisotropes Geschwindigkeitsfeld,
dessen Statistik aber isotrop ist, oder?
Ein Vektorfeld würde ich als isotrop bezeichnen, wenn es ein Radialfeld ist,
also in Kugelkoordinaten die Gestalt

\vec{v}=v(r) \hat{r}

besitzt.
--
Hendrik van Hees Cyclotron Institute
Phone: +1 979/845-1411 Texas A&M University
Fax: +1 979/845-1899 Cyclotron Institute, MS-3366
http://theory.gsi.de/~vanhees/ College Station, TX 77843-3366
Wolfgang Kouker
2004-05-13 16:01:42 UTC
Permalink
Tach Nachbar,
Post by Jan Handwerker
Dann haben wir zu jedem Zeitpunkt ein anisotropes Geschwindigkeitsfeld,
dessen Statistik aber isotrop ist, oder?
Wenn isotropie tatsaechlich NUR fuer die Richtungen gilt, wuerd
ich mal zustimmen... Taete es aber fuer das Integral eines
Vektorfeldes ueber ein Gebiet gelten (also mit Betraege, Wert des
Integrals dann bei Isotropie Null), waere das Horizontalwindfeld,
wenn es horizontal divergenzfrei ist, global also auf der
Kugelflaeche betrachtet ziemlich isotrop.

Seid ihr also sicher, dass die Richtung das alleinige Kriterium ist?

Gruss, Wolfgang
Michael Dahms
2004-05-13 16:54:20 UTC
Permalink
Post by Wolfgang Kouker
Seid ihr also sicher, dass die Richtung das alleinige Kriterium ist?
Ja.

Michael Dahms
Harald Maedl
2004-05-13 20:16:55 UTC
Permalink
Post by Wolfgang Kouker
Seid ihr also sicher, dass die Richtung das alleinige Kriterium ist?
Ja.
Ist das nicht eine Frage der "Lupe"? Z.B Clusterbildung beim Wasser:
Aus der Fernsicht Isotropie statistisch gemittelt, aus der Nähe nicht
vorhersagbares Chaos.

cu, Harald
Michael Dahms
2004-05-14 05:17:57 UTC
Permalink
Post by Harald Maedl
Post by Wolfgang Kouker
Seid ihr also sicher, dass die Richtung das alleinige Kriterium ist?
Ja.
Aus der Fernsicht Isotropie statistisch gemittelt, aus der Nähe nicht
vorhersagbares Chaos.
Ja. Das ist doch bei allen Vielteichensystemen so.

Michael Dahms

Loading...