Discussion:
Spiralbahnen
(zu alt für eine Antwort)
|||jens|||
2006-04-28 22:37:23 UTC
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Hallo,

wie kommen z.B. bei der Paarbildung von Elektron, Positron die nachn innen
gewundenen Spiralen zustande?

Klar, die Teilchen sind geladen und durchfliegen ein Magentfeld, die
Lorentzkraft zeigt dann irgendwie, lenkt also das Teilchen ab und wenn jetzt
noch die Geschwindikeit des Teilchens abnimmt entstehen eben nach innen
gewundene Spiralen.

Aber wie verlieren Elektron und Positron Energie? Durch Stöße! Aber wenn ein
Positron an irgendein Atom stößt, wird es dann nicht gleich wieder
vernichtet?

Mit anderen Worten: Wie überleben Positronen in der Blasenkammer?


jens
Hendrik van Hees
2006-04-29 02:21:01 UTC
Permalink
Post by |||jens|||
Hallo,
wie kommen z.B. bei der Paarbildung von Elektron, Positron die nachn
innen gewundenen Spiralen zustande?
Ich nehme an, Du spielst auf die guten alten Blasen- und
Nebelkammerbildchen an?
Post by |||jens|||
Klar, die Teilchen sind geladen und durchfliegen ein Magentfeld, die
Lorentzkraft zeigt dann irgendwie, lenkt also das Teilchen ab und wenn
jetzt noch die Geschwindikeit des Teilchens abnimmt entstehen eben
nach innen gewundene Spiralen.
Exakt! Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken. Auf ein Teilchen
wirkt die Lorentzkraft

m d^2 x^{\mu}/d tau^2 = q F^{\mu \nu} dx^{mu}/d tau
Post by |||jens|||
Aber wie verlieren Elektron und Positron Energie? Durch Stöße! Aber
wenn ein Positron an irgendein Atom stößt, wird es dann nicht gleich
wieder vernichtet?
Mit anderen Worten: Wie überleben Positronen in der Blasenkammer?
Hm, so fuchtbar lange leben die i.a. wahrscheinlich gar nicht. Ich müßte
jetzt nachschlagen, was die mittlere Lebensdauer eines Positrons in
einer Blasenkammer ist.
--
Hendrik van Hees Texas A&M University
Phone: +1 979/845-1411 Cyclotron Institute, MS-3366
Fax: +1 979/845-1899 College Station, TX 77843-3366
http://theory.gsi.de/~vanhees/ mailto:***@comp.tamu.edu
Joachim Pimiskern
2006-04-29 07:21:24 UTC
Permalink
Post by |||jens|||
Mit anderen Worten: Wie überleben Positronen in der Blasenkammer?
Ein paar Artikel zu diesem Thema:

2 Teilchen:
http://physicsweb.org/articles/news/7/5/15

3 Teilchen:
http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2006/pressemitteilung20060220/
http://www.physorg.com/news11108.html

4 Teilchen:
http://science.orf.at/science/news/142223
http://www.wissenschaft.de/wissen/news/259408.html
http://www.physorg.com/news7705.html

Grüße,
Joachim
|||jens|||
2006-04-29 09:05:26 UTC
Permalink
Post by Joachim Pimiskern
http://physicsweb.org/articles/news/7/5/15
Danke für die Artikel. Aber ich verstehe noch nicht das Zustandekommen der
Spiralbahn des Positrons:

Wenn ein Positron in der Blasenkammen ein Elektron einfängt, dann sollte
doch dieses Duo schnurgerade durch die Kammer fliegen!? Das kann es doch
nicht sein, oder?

Ein Teilchen in der Kammer macht sich bemerbar, indem es (irgendwie) Atome
ionisiert, und die herausgeschlagenen Elektronen ioniesieren weiter....

Verhält es sich so: dass das Positron durch Stöße Elektronen herausschlägt
und dass es dabei nicht auf der Stelle annihiliert, (weil die Energie der
Stoßpartner noch zu groß ist?) sondern dass es weiterfliegt und
weiterionisiert (bis das Positron nicht mehr genug Energie hat um schnelle
Elektron herauszuschlagen, die vor der Zerstrahlung "fliehen" könnten?) ?

Stimmt die Vorstellung, dass schnelle Teilchen seltener Zerstrahlen als
langsame???

jens
Hans-Bernhard Broeker
2006-04-29 12:41:07 UTC
Permalink
Post by |||jens|||
Wenn ein Positron in der Blasenkammen ein Elektron einfängt, dann sollte
doch dieses Duo schnurgerade durch die Kammer fliegen!? Das kann es doch
nicht sein, oder?
Wenn es erst mal eins einfaengt, kann das passieren. Es bildet sich
Positronium, und das saust geradeaus, bis es seinserseits mit
irgendwas zusammenstoesst, und dadurch entweder wieder getrennt wird
oder annihiliert.
Post by |||jens|||
Verhält es sich so: dass das Positron durch Stöße Elektronen
herausschlägt und dass es dabei nicht auf der Stelle annihiliert,
(weil die Energie der Stoßpartner noch zu groß ist?)
Du uebersiehst da einen Aspekt: "Stoss" ist hier nicht mechanisch, wie
bei Billiardkugeln, zu verstehen sondern als Wechselwirkung ueber
elektrogmagnetische Felder. Zur Annihilation braucht es aber deutlich
innigeren Kontakt als zu einem solchen Stoss. Deshalb kann das
Positron sehr viele Stoesse machen, bevor es so viel Energie verloren
hat, dass es lange genug in der Naehe eines Elektrons bleibt, dass es
mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Vernichtung kommt.

In heutigen Experimenten der Teilchenphysik fliegen Positronen
durchaus mehrere Meter durch Gas und diverse (duenne) Festkoerper, und
werden erst in einer fetten Lage Blei gestoppt und annihiliert. Diese
Brems-Kloetze sind so ausgeruestet, dass die Energie-Freisetzung aus
der Annihilation und verwandten Reaktionen gemessen werden kann, und
heissen "Kalorimeter".

Nur sehr langsame Teilchen (um 100 MeV/c Impuls) in recht speziellen
Flugrichtungen "spiralisieren" sichtbar durch einen modernen Detektor.
Und wenn sie das tun, ist das meistens unerwuenscht, weil sie so sehr
viele "Treffer" auf digitalen Datenaufnahmesystemen verursachen, die
die Auslesecomputer gruendlich verwirren koennen. Sie bilden einen
laestigen Spezialfall mehr, den die Analysesoftware handhaben muss.
Post by |||jens|||
Stimmt die Vorstellung, dass schnelle Teilchen seltener Zerstrahlen
als langsame???
Nicht ganz. Annihilation ist ein Prozess, and dem *zwei* Teilchen
beteiligt sind, und sie muessen dazu einigermassen nah beieinander
sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Annihilation stattfindet,
faellt stark mit dem Abstand, und im Wesentlichen proportional zur
Verweildauer bei gegebenem Abstand. Wenn also die zwei Teilchen eine
sehr hohe Geschwindigkeit relativ zu einander haben, haben sie
insbesondere nur *sehr* kurzzeitig einen kleinen Abstand, und deshalb
kommt es nur selten zur Vernichtung. Sie haben, wenn man so will,
nicht genug Zeit, sich einander vorzustellen und das Patschehaendchen
zu geben, und deshalb merken sie nicht, was passieren wuerde, wenn sie
das taeten.

Anders gesagt: zwei schnelle Teilchen koennen prima miteinander
zerstrahlen, wenn sie nah parallel nebeneinander herfliegen, aber wenn
sie einander entgegenkommen, ist das sehr unwahrscheinlich. Wenn ein
Positron durch "ruhende" normale Materie flitzt, kommt ihm praktisch
alles entgegen, und deshalb findet es keinen Partner zur Annihilation.
--
Hans-Bernhard Broeker (***@physik.rwth-aachen.de)
Even if all the snow were burnt, ashes would remain.
|||jens|||
2006-04-30 07:59:05 UTC
Permalink
Danke für die ausführliche Antwort.

Ich habe noch eine kosmische Spinnerfrage: Bei der Paarbildung ist die
Anwesenheit schwerer Elemente notwendig, die einen Teil des Impulses
aufnehmen, damit dieser erhalten bleibt.

Ist die Paarbildung (prinzipiell) ohne diese Anwesenheit schwerer Elemente
beschreibbar, oder verletzt man damit in jedem Fall die Impulserhaltung?

Ich vermute, dass im Big Bang keine schweren Elemente vorhanden waren.
Wohin ging der Impuls?

Der Raum expandiert, naiv stelle ich mir vor, dass "Raum" in der Lage ist
irgendwie Impuls aufzunehmen, wie eine Behälterwand, die sich aufheizt, in
dem Fall, ausdehnt.

Gibt es dazu etwas schlaues zu sagen?


jens
Hans-Bernhard Broeker
2006-04-30 17:16:55 UTC
Permalink
Post by |||jens|||
Ich habe noch eine kosmische Spinnerfrage: Bei der Paarbildung ist die
Anwesenheit schwerer Elemente notwendig, die einen Teil des Impulses
aufnehmen, damit dieser erhalten bleibt.
Nein. Es ist die Mitwirkung eines vierten Teilnehmers an der Reaktion
erforderlich. Das muss keineswegs zwingend ein schwerer Atomkern sein
--- es funktioniert damit nur besser als mit den meisten anderen
Kandidaten fuer diese Position.
Post by |||jens|||
Ist die Paarbildung (prinzipiell) ohne diese Anwesenheit schwerer
Elemente beschreibbar,
Sofern du damit die Reaktion

Photon -> Teilchen + (dessen Antiteilchen)

meinst: die ist zwar "beschreibbar", aber nicht durchfuehrbar.
Sie funktioniert nicht.
Post by |||jens|||
oder verletzt man damit in jedem Fall die Impulserhaltung?
Ja.
Post by |||jens|||
Ich vermute, dass im Big Bang keine schweren Elemente vorhanden waren.
Die braucht man ja auch nicht. Es geht auch

e- + \gamma --> e- + e- + e+

oder

\gamma + \gamma --> e- + e+
Post by |||jens|||
Wohin ging der Impuls?
Nirgends --- diese Reaktion ist in diesem Umfeld einfach unwichtig;
andere Reaktionen sind effizienter.
--
Hans-Bernhard Broeker (***@physik.rwth-aachen.de)
Even if all the snow were burnt, ashes would remain.
Hendrik van Hees
2006-04-29 12:49:29 UTC
Permalink
Post by |||jens|||
Danke für die Artikel. Aber ich verstehe noch nicht das Zustandekommen
Wenn ein Positron in der Blasenkammen ein Elektron einfängt, dann
sollte doch dieses Duo schnurgerade durch die Kammer fliegen!? Das
kann es doch nicht sein, oder?
Positrinium ist ein Bindungszustand (bindene Kraft ist die
elektromagnetische) aus einem Positron und einem Elektron. Das ist
nicht das, was Du suchst.

Es besteht zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß sich das Positron
in der Blasenkammer mit einem Elektron zu einem Positronium verbindet,
und die sich dann annihilieren, aber ich glaube das ist nicht unbedingt
relevant zur Berechnung der Lebensdauer des Positrons in der
Nebelkammer, zumindest nicht wenn es hinreichend schnell ist.
--
Hendrik van Hees Texas A&M University
Phone: +1 979/845-1411 Cyclotron Institute, MS-3366
Fax: +1 979/845-1899 College Station, TX 77843-3366
http://theory.gsi.de/~vanhees/ mailto:***@comp.tamu.edu
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