Discussion:
Keplerbahn: r(t), phi(t)
(zu alt für eine Antwort)
Niels Gierse
2005-05-23 14:30:37 UTC
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Hallo NG,

ich komme mit einem Projekt nicht weiter: Für ein Chaos-Seminar wollen
wir die Flugbahn des Mondes Hyperion berechnen. Dafür wäre es von
unschätzbarem Wert die Bahnkurve eines Planeten nach Kepler als
Zeitfunktion, also r(t) und phi(t) zu haben und nicht die übliche Form
r(phi). Hat jemand einen Literaturtipp oder kann mir die Formel angeben?

Vielen Dank

Niels
Roland Franzius
2005-05-23 15:26:04 UTC
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Post by Niels Gierse
Hallo NG,
ich komme mit einem Projekt nicht weiter: Für ein Chaos-Seminar wollen
wir die Flugbahn des Mondes Hyperion berechnen. Dafür wäre es von
unschätzbarem Wert die Bahnkurve eines Planeten nach Kepler als
Zeitfunktion, also r(t) und phi(t) zu haben und nicht die übliche Form
r(phi). Hat jemand einen Literaturtipp oder kann mir die Formel angeben?
Die Bahnformel ist

r(phi) = p/(1 +eps Cos(phi))

die Differentialgleichung für den Winkel aus dem Drehimpulssatz ist

(m r(phi(t))^2 phi'(t) = L_z

Man mus dass Integral

dt = dphi r(phi)^2

besorgen:

Integrate[1,t] = Integrate[r[ϕ]^2 , ϕ] ->

t-t0=
p^2*(-((2*ArcTanh[((-1 + eps)*Tan[ϕ/2])/
Sqrt[-1 + eps^2]])/(-1 + eps^2)^(3/2)) +
(eps*Sin[ϕ])/((-1 + eps^2)*(1 + eps*Cos[ϕ])))

Die Funktion kann man tabellieren, die vertauschte Tabelle ist die
Umkehrfunktion, und die kann man interpolieren.
--
Roland Franzius
--
Roland Franzius
Andreas Slateff
2005-05-26 22:45:03 UTC
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Post by Niels Gierse
Hallo NG,
ich komme mit einem Projekt nicht weiter: Für ein Chaos-Seminar wollen
wir die Flugbahn des Mondes Hyperion berechnen. Dafür wäre es von
unschätzbarem Wert die Bahnkurve eines Planeten nach Kepler als
Zeitfunktion, also r(t) und phi(t) zu haben und nicht die übliche Form
r(phi). Hat jemand einen Literaturtipp oder kann mir die Formel angeben?
Hallo Niels,

Du suchst eine Parametrisierung der Bahnkurve mit Hilfe der Zeit.
Diese laesst sich aber im Allgemeinen nicht explizit mit den elementaren
Funktionen hinschreiben.


Roland hat Dir in etwa einen Loesungsweg geschildert (aber Achtung, er
hat unterwegs das L_z und m vernachlaessigt!).

Jedenfalls hast Du eine Differenzialgleichung

r(\phi)^2 d \phi = C dt

mit einer Konstanten C.

Damit folgt durch Integration

C * t = \int r(\phi)^2 d \phi + const.

wobei \int eine Stammfunktion (mit Argument \phi) liefert, zum Beispiel
die von Roland genannte. Die Konstante const ist dann aus dem
Anfangswinkel \phi(t_0) zur Anfangszeit t_0 zu ermitteln.


Durch Umstellen lautet die resultierende Funktion etwa

t = F(\phi).

Nun ist die Funktion F auf eine Riemannsche Flaeche fortsetzbar, wo sie
analytisch ist.
Du suchst aber nicht t = F(\phi) sondern eine Umkehrfunktion von F,
\phi = G(t).
Lokal (im Kleinen) sieht die Riemannsche Flaeche so aus wie eine
kleine OFFENE Kreisscheibe K2 in der komplexen Zahlenebene.
Man wendet daher lokal den folgenden Satz ueber Umkehrfunktionen aus der
Funktionentheorie an:

Ist F eine analytische Funktion K2 -> F(K2), die auf K2 injektiv ist,
dann besitzt F eine eindeutige analytische Umkehrfunktion
G: F(K2) -> K2,
und man erhaelt G(t) durch folgendes Integral:

G(t) = 1 / (2 pi i) *
\int_{Kreisrand von K1} \phi F'(\phi) / ( F(\phi) - t) d\phi

wobei K1 eine ABGESCHLOSSENE Kreisscheibe ist, die ganz in der offenen
Scheibe K2 drinnenliegt, und t ein Punkt in F(K1) ist.


Bemerkungen:
a) Die Bedingung t aus F(K1) kann man durch eine Abschaetzung ueberpruefen.
b) Statt der Kreissscheiben K2 und K1 kann man auch eine offene einfach
zusammenhaengende Menge D2 und eine abgeschlossene ganz in D2 liegende
einfach zusammenhaengende Menge D1 mit hinreichend bravem Rand nehmen.
Das Integral geht dann ueber den Rand von D1.


Nun ueberdecke man ausgehend vom Startwert \phi(t_0) sukzessive die
auftretenden \phi-Werte durch Kreisscheiben K2, sodass obiger Satz
angewendet werden kann, und wertet die Integrale zB. numerisch aus.

(NB: Moeglicherweise kann man die Umkehrfunktion G lokal mit
elliptischen Funktionen explizit hinschreiben; um das zu ueberpruefen
fehlt mir jetzt leider die Zeit...)

MfG

Andreas
Norbert Dragon
2005-05-27 10:12:56 UTC
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* Andreas Slateff schreibt
Post by Andreas Slateff
Durch Umstellen lautet die resultierende Funktion etwa
t = F(\phi).
Nun ist die Funktion F auf eine Riemannsche Flaeche fortsetzbar, wo sie
analytisch ist.
Du suchst aber nicht t = F(\phi) sondern eine Umkehrfunktion von F,
\phi = G(t).
[...]
Welche Einsicht in das Bewegungsproblem ergibt sich dadurch, die
analytische Fortsetzung von F zu betrachten und ihre komplexe
Umkehrfunktion?

Die reelle Umkehrfunktion ist doch einfach und unproblematisch,
da t monoton von F abhängt.

An den Umkehrpunkten x' mit E = V(x') ist zudem F nicht analytisch.
--
Aberglaube bringt Unglück

www.itp.uni-hannover.de/~dragon
Andreas Slateff
2005-05-27 13:22:25 UTC
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Post by Norbert Dragon
* Andreas Slateff schreibt
Post by Andreas Slateff
Durch Umstellen lautet die resultierende Funktion etwa
t = F(\phi).
Nun ist die Funktion F auf eine Riemannsche Flaeche fortsetzbar, wo sie
analytisch ist.
Du suchst aber nicht t = F(\phi) sondern eine Umkehrfunktion von F,
\phi = G(t).
[...]
Welche Einsicht in das Bewegungsproblem ergibt sich dadurch, die
analytische Fortsetzung von F zu betrachten und ihre komplexe
Umkehrfunktion?
Die reelle Umkehrfunktion ist doch einfach und unproblematisch,
da t monoton von F abhängt.
Es geht mir darum, eine explizite Formel fuer die Umkehrfunktion zu haben.
Das Integral kann man direkt numerisch auswerten.

Man kann natuerlich auch ein Newton-Verfahren im Reellen probieren.
Die Rechenfehler werden sich dann halt aufschaukeln.

Roland schlug eine look-up-Technik vor: Spiegelung am Graphen. Geht
natuerlich auch.
Post by Norbert Dragon
An den Umkehrpunkten x' mit E = V(x') ist zudem F nicht analytisch.
Hm, weshalb?

p^2/(1 + \eps cos(phi) )^2 d\phi ist wegen 0 < \eps < 1 (Ellipse!) in
einer Umgebung der reellen phi-Achse doch analytisch und dann
argumentiert man mit Wegunabhaengigkeit im Kleinen.



MfG

Andreas
Norbert Dragon
2005-05-27 16:13:41 UTC
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* Andreas Slateff schreibt
Post by Andreas Slateff
Post by Norbert Dragon
Welche Einsicht in das Bewegungsproblem ergibt sich dadurch, die
analytische Fortsetzung von F zu betrachten und ihre komplexe
Umkehrfunktion?
Die reelle Umkehrfunktion ist doch einfach und unproblematisch,
da t monoton von F abhängt.
Es geht mir darum, eine explizite Formel fuer die Umkehrfunktion zu haben.
Das Integral kann man direkt numerisch auswerten.
-- nach Kenntnis der komplexen Umkehrfunktion.

Wo bekomme ich ein Ei her? Einfach zwei Eier nehmen und eins wegwerfen.

Oder übersehe ich da etwas?
Post by Andreas Slateff
Man kann natuerlich auch ein Newton-Verfahren im Reellen probieren.
Die Rechenfehler werden sich dann halt aufschaukeln.
Roland schlug eine look-up-Technik vor: Spiegelung am Graphen. Geht
natuerlich auch.
Das ist doch die selbstverständliche Lösung.

Und wozu überhaupt invertieren? Man kennt die eindimensionale Bewegung,
und davon handelt das Problem, wenn man zu jeder Zeit t den Ort x(t)
angeben kann oder wenn man von jedem Ort x sagen kann, zu welcher
Zeit t(x) er durchlaufen wird.
Post by Andreas Slateff
Post by Norbert Dragon
An den Umkehrpunkten x' mit E = V(x') ist zudem F nicht analytisch.
Hm, weshalb?
Wir, wie ich hoffe, reden von der Differentialgleichung

m/2 (dx/dt)^2 + V(x) = E oder von

dt/dx = 1/Wurzel(2/m(E-V(x))

mit der Lösung

t(x) - t(y) = Integral von y bis x dz / Wurzel(2/m(E-V(z))

In der Umgebung eines Umkehrpunktes u gilt

V(x) = E + (x -u) a + ... mit a = dV/dx(u) ungleich Null

und der Integrand verhält sich etwa wie

dz / Wurzel(2a/m (u-z) )

Er hat also bei z = u eine integrierbare Singularität. Das Integral
verhält sich als Funktion der Integrationsgrenze in der Nähe des
Umkehrpunktes wie Wurzel(x-u).

oder redest Du von von etwas anderem?
--
Aberglaube bringt Unglück

www.itp.uni-hannover.de/~dragon
Andreas Slateff
2005-05-27 17:55:00 UTC
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Post by Norbert Dragon
* Andreas Slateff schreibt
Post by Andreas Slateff
Post by Norbert Dragon
Welche Einsicht in das Bewegungsproblem ergibt sich dadurch, die
analytische Fortsetzung von F zu betrachten und ihre komplexe
Umkehrfunktion?
Die reelle Umkehrfunktion ist doch einfach und unproblematisch,
da t monoton von F abhängt.
Es geht mir darum, eine explizite Formel fuer die Umkehrfunktion zu haben.
Das Integral kann man direkt numerisch auswerten.
-- nach Kenntnis der komplexen Umkehrfunktion.
Wo bekomme ich ein Ei her? Einfach zwei Eier nehmen und eins wegwerfen.
Oder übersehe ich da etwas?
Moeglicherweise.
Der Satz sagt aus, wie man zu einer bekannten Funktion w=F(z) die
Umkehrfunktion z=G(w) erhaelt. Ist eine einfache Anwendung des
Residuensatzes.

Im genannten Beispiel ist F explizit hinschreibbar und findet sich
annaehernd im posting von Roland.

MfG

Andreas

PS: Antwort auf den Rest folgt.
Andreas Slateff
2005-05-27 18:01:15 UTC
Permalink
Post by Norbert Dragon
Wir, wie ich hoffe, reden von der Differentialgleichung
m/2 (dx/dt)^2 + V(x) = E oder von
Das waere eine 1-D Hamiltonfunktion, wenn Du das ein paar
Zeilen spaeter in dt/dx umschreibst...
Was ist Dein x im Keplerproblem?
Post by Norbert Dragon
oder redest Du von von etwas anderem?
Die Bahnformel ist
r(phi) = p/(1 +eps Cos(phi))
die Differentialgleichung für den Winkel aus dem Drehimpulssatz ist
(m r(phi(t))^2 phi'(t) = L_z
MfG

Andreas

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