Discussion:
Fragen zur Bindungsenergie beim Tunneleffekt
(zu alt für eine Antwort)
Alexander Erlich
2007-02-12 06:52:06 UTC
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Hallo,

da Atommassen geringer sind als die Summe der Massen ihrer Nukleonen,
wird beim Zusammensetzen des Kerns Energie frei, die dem Massendefekt
äquivalent ist. Die zusammengesetzten Nukleonen sind also energetisch
auf einem niedrigeren Niveau. Man könnte daraus schließen, dass es für
Nuklide energetisch günstiger ist, Bestandteil eines Kerns zu sein,
als sich außerhalb eines Kerns aufzuhalten.

Allerdings verstehe ich nicht, wie es sein kann, dass beim
Tunneleffekt zusammengesetzte Alpha-Teilchen energetisch angehoben
werden. Ich habe es so gelernt: wenn sich innerhalb eines schweren
Kerns zufällig die vier Nukleonen treffen, setzen sie sich zu einem
Heliumkern zusammen. Wieder sollte dabei Energie frei werden. Im
Potentialtopfmodell aber werden die Alphateilchen aber energetisch
angehoben, so dass sie über dem Nullniveau liegen und durch den Tunnel
aus dem Kern kommen können.

Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Was passiert mit der
Energie, die beim Zusammensetzen des Heliumkerns freiwird?

Gruß
Alexander
Alexander Streltsov
2007-02-12 19:54:27 UTC
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Post by Alexander Erlich
Hallo,
da Atommassen geringer sind als die Summe der Massen ihrer Nukleonen,
wird beim Zusammensetzen des Kerns Energie frei, die dem Massendefekt
äquivalent ist. Die zusammengesetzten Nukleonen sind also energetisch
auf einem niedrigeren Niveau. Man könnte daraus schließen, dass es für
Nuklide energetisch günstiger ist, Bestandteil eines Kerns zu sein,
als sich außerhalb eines Kerns aufzuhalten.
Allerdings verstehe ich nicht, wie es sein kann, dass beim
Tunneleffekt zusammengesetzte Alpha-Teilchen energetisch angehoben
werden. Ich habe es so gelernt: wenn sich innerhalb eines schweren
Kerns zufällig die vier Nukleonen treffen, setzen sie sich zu einem
Heliumkern zusammen. Wieder sollte dabei Energie frei werden. Im
Potentialtopfmodell aber werden die Alphateilchen aber energetisch
angehoben, so dass sie über dem Nullniveau liegen und durch den Tunnel
aus dem Kern kommen können.
Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Was passiert mit der
Energie, die beim Zusammensetzen des Heliumkerns freiwird?
Sie wird eben dazu benutzt, das Potenzial des Kerns zu überwinden.

Es ist zwar so, dass die Energie des gesamten Teilchens abgesenkt ist
(im Vergleich zur Energie der ungebundenen Teilchen), aber genau diese
Absenkung führt zu einer Erhöhung der kinetischen Energie des
Alphateilchens (Energieerhaltung).

Weil aber klassisch diese Energie allein nicht ausreicht, um das
Kernpotenzial zu überwinden, wird scheinbar während einer kurzen
Zeitspanne der Enerergieerhaltungssatz verletzt. Das Alphateilchen
verlässt damit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Kern.


mfg
Alex
Alexander Erlich
2007-02-13 15:54:01 UTC
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Hallo Alex,
Post by Alexander Streltsov
Post by Alexander Erlich
Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Was passiert mit der
Energie, die beim Zusammensetzen des Heliumkerns freiwird?
Sie wird eben dazu benutzt, das Potenzial des Kerns zu überwinden.
Es ist zwar so, dass die Energie des gesamten Teilchens abgesenkt ist
(im Vergleich zur Energie der ungebundenen Teilchen), aber genau diese
Absenkung führt zu einer Erhöhung der kinetischen Energie des
Alphateilchens (Energieerhaltung).
Aber wird im Potentialtopfmodell denn nicht die Gesamtenergie des
Teilchens abgetragen? Dann müsste die Energie nach dem Zusammensetzen
des Alphateilchens gleich bleiben. Sie steigt aber. Wird beim
Potentialtopf etwa die kinetische Energie abgetragen?

Gruß
Alexander
Alexander Streltsov
2007-02-13 16:56:33 UTC
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Post by Alexander Erlich
Hallo Alex,
Post by Alexander Streltsov
Post by Alexander Erlich
Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Was passiert mit der
Energie, die beim Zusammensetzen des Heliumkerns freiwird?
Sie wird eben dazu benutzt, das Potenzial des Kerns zu überwinden.
Es ist zwar so, dass die Energie des gesamten Teilchens abgesenkt ist
(im Vergleich zur Energie der ungebundenen Teilchen), aber genau diese
Absenkung führt zu einer Erhöhung der kinetischen Energie des
Alphateilchens (Energieerhaltung).
Aber wird im Potentialtopfmodell denn nicht die Gesamtenergie des
Teilchens abgetragen? Dann müsste die Energie nach dem Zusammensetzen
des Alphateilchens gleich bleiben. Sie steigt aber. Wird beim
Potentialtopf etwa die kinetische Energie abgetragen?
In der allgemein üblichen Darstellung wird der Energienullpunkt auf
ungebundene Zustände ohne kinetische Energie gelegt.

Befinden sich nun 4 Nukleonen in einem gebundenen Zustand, so nehmen wir
beispielsweise (ungefähre Werte für Uran 238) eine Bindungsenergie von
-6 MeV pro Nukleon an.
Nehmen wir nun an, dass aus den 4 Nukleonen ein Alpha-Teilchen entsteht.

Die Energie jedes Nukleons nimmt zwar ab, aber die Energieabnahme muss
wegen Energieerhaltung wieder kompensiert werden. In diesem Fall wird
sie inform der Bindungsenergie des Alpha-Teilchens frei. Werden in
meinem Beispiel bei der Bildung des Alpha-Teilchens 7 MeV pro Nukleon
frei, so hat das Alpha-Teilchen insgesamt eine positive Energie, nämlich
4MeV. Das Alphateilchen ist damit frei und kann detektiert werden.

mfg
Alex
Roland Franzius
2007-02-13 17:23:59 UTC
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Post by Alexander Erlich
Hallo,
da Atommassen geringer sind als die Summe der Massen ihrer Nukleonen,
wird beim Zusammensetzen des Kerns Energie frei, die dem Massendefekt
äquivalent ist. Die zusammengesetzten Nukleonen sind also energetisch
auf einem niedrigeren Niveau. Man könnte daraus schließen, dass es für
Nuklide energetisch günstiger ist, Bestandteil eines Kerns zu sein,
als sich außerhalb eines Kerns aufzuhalten.
Allerdings verstehe ich nicht, wie es sein kann, dass beim
Tunneleffekt zusammengesetzte Alpha-Teilchen energetisch angehoben
werden. Ich habe es so gelernt: wenn sich innerhalb eines schweren
Kerns zufällig die vier Nukleonen treffen, setzen sie sich zu einem
Heliumkern zusammen. Wieder sollte dabei Energie frei werden. Im
Potentialtopfmodell aber werden die Alphateilchen aber energetisch
angehoben, so dass sie über dem Nullniveau liegen und durch den Tunnel
aus dem Kern kommen können.
Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Was passiert mit der
Energie, die beim Zusammensetzen des Heliumkerns freiwird?
Das Potentialtopfmodell beschreibt den Zerfall eines Topfes mit N
Baryonen Teilchen in zwei Töpfe mit N-4 und (2p+2n), wobei Zerfälle mit
Töpfen von weniger oder mehr als 4 Teilchen energetisch unmöglich sind.

Dieses Modell hat keinerlei echten dynamischen Hintergrund, dazu weiß
man zuwenig über Kernzustände, kann aber bei Verzicht auf Feinheiten
folgendermaßen modelliert werden:

Im Kerninnern entsteht zufällig ein gefangener Produktzustand (2p x 2n)
x (N-2p-2n) mit zufällig genügender kinetischer Energie und Impuls des
alpha-Zustands, der sich dann in den Schwerpunkten der
Teilwellenfunktionen räumlich trennen kann. Dabei geht man davon aus,
dass für dieses Produkt mit wachsenden Abstand der
Schwerpunktskoordinaten die potentielle Energie zunächst so stark
anwächst, dass im Tunnelbereich die kinetische Energie negativ und für
große Abstände positiv wird.

Natürlich gibt es auch Übergangsamplituden, in denen die Baryonen
einzeln, zu zwei oder zu dritt sich draußen zufällig finden, aber diese
Amplitudenbeiträge sind mit dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten
negativer kinetischer Energien draußen unterdrückt und damit
vernächlässigbar.

Es entspricht ungefähr dem unendlich wiederholten Versuch von
Vierlingen, mit nur ein oder zwei Tickets eine streng kontrollierte
U-Bahn-Strecke fahren, ohne erwischt zu werden. Wird besonders streng
kontrolliert, dauerts halt lange, aber raus kommen sie immer.
--
Roland Franzius
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