Discussion:
Wieso funktioniert ein Strahltriebwerk?
(zu alt für eine Antwort)
Mark Ise
2007-08-07 23:37:17 UTC
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Hallo,

ich frage mich, wieso ein Strahltriebwerk so funktioniert, wie es das tut.
Mein Verständnisproblem:
Das sich ausdehnende Gas in der Brennkammer erzeugt Druck nach vorne und
hinten. Wieso erzeugt es nach hinten mehr Druck?


Als Gedankenexperiment habe ich mich gefragt, was passieren würde, wenn
man bei einem stehenden Triebwerk von außen Druckluft in die Brennkammer
geben würde. Also nicht von vorne oder hinten, sondern seitlich einen
Zugang in die Brennkammer schaffen würde. Würde die Turbine dann stehen
bleiben oder sich vorwärts drehen.
Die zunächst nach vorne und hinten entweichende Luft würde ja die
Turbine und die Verdichterschaufeln jeweils in die entgegengesetzte
Richtung zu drehen versuchen.
--
Mark
m***@gmx.de
2007-08-08 00:25:38 UTC
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Post by Mark Ise
Hallo,
ich frage mich, wieso ein Strahltriebwerk so funktioniert, wie es das tut.
Das sich ausdehnende Gas in der Brennkammer erzeugt Druck nach vorne und
hinten. Wieso erzeugt es nach hinten mehr Druck?
Als Gedankenexperiment habe ich mich gefragt, was passieren würde, wenn
man bei einem stehenden Triebwerk von außen Druckluft in die Brennkammer
geben würde. Also nicht von vorne oder hinten, sondern seitlich einen
Zugang in die Brennkammer schaffen würde. Würde die Turbine dann stehen
bleiben oder sich vorwärts drehen.
Die zunächst nach vorne und hinten entweichende Luft würde ja die
Turbine und die Verdichterschaufeln jeweils in die entgegengesetzte
Richtung zu drehen versuchen.
--
Mark
Vereinfachtes Prinzip:
Das Triebwerk besteht aus Verdichter, Brennkammer, Turbine und Düse.

Verdichter und Turbine sitzen auf einer Welle. Am Anfang wird durch
einen Motor der Verdichter auf Drehzahl gebracht. Luft wird angesaugt
und in die Brennkammer gedrückt, später im Betrieb bei voller Drehzahl
mit rund 15-20 bar. In die Brennkammer wird Kraftstiff eingespritzt,
welcher dann verbrennt. Der Brennkammerdruck bleibt hierbei erhalten,
aber die erhitzte Luft dehnt sich hierbei stark aus und geht Richtung
Turbine, welche einen Teil der Energie der strömenden Luft entzieht
und damit den Verdichter antreibt. Hinter der Turbine herrscht dann
schon ein geringerer Druck als in der Brennkammer. Nach der Turbine
wird der noch hohe Druck in der Düse auf Umgebungsdruck entspannt,
wobei die Geschwindigkeit der Luft stark zunimmt.

Der Prozess ist also adiabate Verdichtung, Wärmezufuhr bei konstantem
Druck, adiabate Teilentspannung in der Turbine zur Gewinnung der
Antriebsenergie für den Verdichter, adiabate Restentspannung auf
Umgebungsdruck.

Nicht die Verbrennung erzeugt also den Druck sondern der Verdichter.
Die Verbrennung vergrößert nur das Gasvolumen bei dem Verdichterdruck
und hierdurch wird Energie "gewonnen". Der Schub entspricht dann
Luftmasse/s * (Ausströmgeschwindigkeit - Fluggeschwindigkeit), wenn
man die Treibstoffmasse vernachlässigt.

Wenn das Triebwerk bei zu hohen Drehzahlen nicht auseinanderfliegen
würde und die Kraftstoffleitungen dick genug wären und auch die
Verbrennung schnell genug gehen würde, könnte die Leistung der Turbine
fast bis ins Unendliche gesteigert werden. Mit der Drehzahl wächst
auch der Brennkammerdruck und damit die Temperatur vor der Verbrennung
stark an. Der Wirkungsgrad steigt daher mit zunehmender Drehzahl
ebenfalls an.
Mark Ise
2007-08-08 23:28:25 UTC
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Erstmal Danke für die ausführliche Erklärungen von euch allen.
Post by m***@gmx.de
mit rund 15-20 bar. In die Brennkammer wird Kraftstiff eingespritzt,
welcher dann verbrennt. Der Brennkammerdruck bleibt hierbei erhalten,
aber die erhitzte Luft dehnt sich hierbei stark aus und geht Richtung
Ist es nicht so, dass das Gasvolumen, sein Druck und seine Temperatur in
einem festen Zusammenhang stehen?
Wenn sich das Gas erwärmt, der Druck aber konstant bleibt, dann kann das
nur heißen, dass es sich bei der Erwärmung auch ausdehnt. Das heißt,
dass die Brennkammer nach hinten hin einen größeren Querschnitt haben
muss, richtig?
Das würde sich dann mit der Erklärung von Kai-Martin decken.


Allerdings verwirrt mich die schematische Darstellung und die
dazugehörigen Diagramme oben rechts bei Wiki:
http://de.wikipedia.org/wiki/Strahltriebwerk

Der Druck fällt in der Brennkammer nach hinten hin ab, während die
Temperatur steigt und ganz am Ende noch der Querschnitt kleiner wird.

Dass der Druck in der Brennkammer nicht überall gleich groß ist, kann
ich mir nur durch die Dynamik erklären.
Dass der Druck am Ende der Brennkammer aber nicht durch die Temperatur
und den Querschnitt dramatisch ansteigt, kann ich nicht nachvollziehen.
--
Mark
m***@gmx.de
2007-08-09 02:17:55 UTC
Permalink
Post by Mark Ise
Erstmal Danke für die ausführliche Erklärungen von euch allen.
Post by m***@gmx.de
mit rund 15-20 bar. In die Brennkammer wird Kraftstiff eingespritzt,
welcher dann verbrennt. Der Brennkammerdruck bleibt hierbei erhalten,
aber die erhitzte Luft dehnt sich hierbei stark aus und geht Richtung
Ist es nicht so, dass das Gasvolumen, sein Druck und seine Temperatur in
einem festen Zusammenhang stehen?
Klar. pV=RT, R = Gaskonstante
Post by Mark Ise
Wenn sich das Gas erwärmt, der Druck aber konstant bleibt, dann kann das
nur heißen, dass es sich bei der Erwärmung auch ausdehnt. Das heißt,
dass die Brennkammer nach hinten hin einen größeren Querschnitt haben
muss, richtig?
Nein, das spielt hier noch keine Rolle. Das Gas darf sich bei gleichem
Querschnitt und vergrößertem Volumen auch einfach nur schneller
bewegen :-)
Im Prinzip spielt der Brennkammerquerschnitt gar keine Rolle.
Höchstens für die Aufrechterhaltung der Verbrennung.
Post by Mark Ise
Das würde sich dann mit der Erklärung von Kai-Martin decken.
Er meinte m.E. etwas anderes, er sprach von der Turbine und dem
Düsenquerschnitt.
Post by Mark Ise
Allerdings verwirrt mich die schematische Darstellung und die
dazugehörigen Diagramme oben rechts bei Wiki:http://de.wikipedia.org/wiki/Strahltriebwerk
Der Druck fällt in der Brennkammer nach hinten hin ab, während die
Temperatur steigt
Das kann höchstens mit den realen Bedingungen zusammenhängen, wenn
z.B. die Strömungsquerschnitte in der Brennkammer so klein sind, daß
sich der statische Druck wegen des dynamischen Druckanteils bereits
ändert. Vielleicht wurde nicht der Gesamtdruck dargestellt sondern nur
der statische Druck. Temperaturänderungen in der Brennkammer bewirken
also keine Gesamtdruckänderungen und wahrscheinlich auch nur geringe
statische Druckänderungen, wenn wegen der Erwärmung und Volumenzunahme
das Gas sich schneller bewegt.
Post by Mark Ise
und ganz am Ende noch der Querschnitt kleiner wird.
Schließlich muß der Strömungsquerschnitt vom bequemen
Brennkammerquerschnitt auf den kleinen Turbinenquerschnitt gebracht
werden, damit das Gas bei hoher Geschwindigkeit Energie an die Turbine
abgeben kann.
Post by Mark Ise
Dass der Druck in der Brennkammer nicht überall gleich groß ist, kann
ich mir nur durch die Dynamik erklären.
Da liegst Du also richtig.
Post by Mark Ise
Dass der Druck am Ende der Brennkammer aber nicht durch die Temperatur
und den Querschnitt dramatisch ansteigt, kann ich nicht nachvollziehen.
Ist gut, daß Du das nicht nachvollziehen kannst: Ich kann es auch
nicht :-)

Habe mir das Bild bei W. angesehen. Ich glaube, Du hast die Kurven
verwechselt. Am Brennkammeranfang ist der Druck am höchsten und fällt
gegen Brennkammerende etwas ab. Nur die Temperatur steigt bis
Kammerende stark an.
Post by Mark Ise
--
Mark
Habe gerade gelesen, daß man heute bis rund 50 bar verdichtet. Das ist
schon richtig gewaltig. Die letzte Verdichterschaufel ist dann bereits
dunkelrot glühend. Das entspräche bei einem Dieselmotor bereits einem
Verdichtungsverhältnis (V1/V2) von rund 17 und damit bekommt man den
Dieselmotor schon selbstgezündet.
Kai-Martin Knaak
2007-08-08 01:06:01 UTC
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Post by Mark Ise
Das sich ausdehnende Gas in der Brennkammer erzeugt Druck nach vorne und
hinten. Wieso erzeugt es nach hinten mehr Druck?
Der Trick besteht darin, dass das für die Luft bereit stehende Volumen
vorne kleiner ist als hinten. Eine Druckerhöhung in der Brennkammer
erzeugt damit mehr Kraft auf die hinteren Schaufeln, als auf die
vorderen. Wenn man die Größenunterschiede stark übertreibt, wird es
intuitiv einsehbar. Stell Dir vor, die Turbine des Verdichters haben 10cm
Durchmesser, während die Turbine im Abgas 1m dick ist. Im Brennraum
entstehe durch einen Super-Kraftstoff 1 bar Überdruck. Dieses Bar
Überdruck übt nun auf die Austrittsturbine eine grob 100 mal größere
Kraft aus, als auf die Kompressionsturbine.

Es geht sogar ganz ohne Verdichterschaufeln, nennt sich Staustrahl-
Triebwerk und ist der Vorgänger der heute üblichen Turbinen. Das ist
nicht viel mehr als ein vorne durch einen Stopfen verengtes Rohr, in das
Treibstoff eingespritzt wird.
(siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Staustrahltriebwerk)
Wichtig ist, dass die Öffnung nach hinten größer ist, als die nach vorne.
Der Rest der Form dient dazu, den Treibstoff allein durch die Verdichtung
zu zünden und das austretende Gas zu einem effektiven Strahl zu formen.

Ich hoffe, das war jetzt halbwegs verständlich ausgedrückt. Man kann es
natürlich auch mit den Fachbegriffen der Thermodynamik formulieren und
damit in quantifizierbare Formeln fassen.

---<(kaimartin)>---
--
Kai-Martin Knaak
http://lilalaser.de/blog
Mark Ise
2007-08-08 23:57:04 UTC
Permalink
Post by Kai-Martin Knaak
Post by Mark Ise
Das sich ausdehnende Gas in der Brennkammer erzeugt Druck nach vorne und
hinten. Wieso erzeugt es nach hinten mehr Druck?
Der Trick besteht darin, dass das für die Luft bereit stehende Volumen
vorne kleiner ist als hinten. Eine Druckerhöhung in der Brennkammer
erzeugt damit mehr Kraft auf die hinteren Schaufeln, als auf die
vorderen. Wenn man die Größenunterschiede stark übertreibt, wird es
intuitiv einsehbar. Stell Dir vor, die Turbine des Verdichters haben 10cm
Durchmesser, während die Turbine im Abgas 1m dick ist. Im Brennraum
entstehe durch einen Super-Kraftstoff 1 bar Überdruck. Dieses Bar
Überdruck übt nun auf die Austrittsturbine eine grob 100 mal größere
Kraft aus, als auf die Kompressionsturbine.
Mit so einer Überlegung bin ich auch mal an die Sache heran gegangen.
Aber wenn der Querschnitt hinten größer als vorne ist, dann ist dort
auch Austrittsgeschwindigkeit der Luft geringer und die größeren
Antriebsschaufeln bekämen dann vermutlich nicht mehr Antriebsleistung,
als der Verdichter vorne. Also zumindest nicht, wenn die Schaufelblätter
den gleichen Wirkungsgrad hätten.
Aber das ist wohl auch eine wichtiger Punkt, wie hier auch schon erwähnt
wurde. Die Geometrie der Schaufeln gibt eine Strömungs- und Drehrichtung
vor.
Post by Kai-Martin Knaak
Es geht sogar ganz ohne Verdichterschaufeln, nennt sich Staustrahl-
Triebwerk und ist der Vorgänger der heute üblichen Turbinen. Das ist
nicht viel mehr als ein vorne durch einen Stopfen verengtes Rohr, in das
Treibstoff eingespritzt wird.
(siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Staustrahltriebwerk)
Wichtig ist, dass die Öffnung nach hinten größer ist, als die nach vorne.
Ja, so kann ich das gut verstehen. Von der Brennkammer aus gesehen sieht
die Luft die große Düse hinten und den engen Querschnitt im Verdichter,
der zudem noch Druck durch die einströmende Luft aufbaut.
Dass die Luft beim Staustrahltriebwerk nach hinten austritt leuchtet mir
ein.
--
Mark
Roland Damm
2007-08-08 07:21:23 UTC
Permalink
Moin,
Post by Mark Ise
ich frage mich, wieso ein Strahltriebwerk so funktioniert, wie
Das sich ausdehnende Gas in der Brennkammer erzeugt Druck nach
vorne und hinten. Wieso erzeugt es nach hinten mehr Druck?
Hat Martin Müller erklärt, tut es ja nicht. Die Verbrennung
erhöht nicht den Druck sondern 'nur' das Volumen der Gase.
Post by Mark Ise
Als Gedankenexperiment habe ich mich gefragt, was passieren
würde, wenn man bei einem stehenden Triebwerk von außen
Druckluft in die Brennkammer geben würde. Also nicht von vorne
oder hinten, sondern seitlich einen Zugang in die Brennkammer
schaffen würde. Würde die Turbine dann stehen bleiben oder sich
vorwärts drehen. Die zunächst nach vorne und hinten
entweichende Luft würde ja die Turbine und die
Verdichterschaufeln jeweils in die entgegengesetzte Richtung zu
drehen versuchen.
Die Turbinen- und Verdichterschaufeln sind sehr wohl durchdacht
geformt, die Vorderkanten abgerundet, die Hinterkanten spitz und
gewölbt sind die Schaufeln auch noch. Die ganze Form ist dafür
optimiert, dass sie sich richtig herum drehen und dabei bei dazu
passendem Luftdurchsatz optimal arbeiten.
Würdest du einfach in die Brennkammer Luft reinpumpen, würde sie
nach vorne und nach hinten ausströmen. Dabei würde sie die
hinten liegenden Turbinenschaufeln in der richtigen Richtung
durchlaufen, die vorne liegenden Verdichterschaufeln jedoch in
die falsche Richtung. In die falsche Richtung bewirkt jedoch,
dass die Luft hautpsächlich verwirbelt wird, Antrieb bekommen
die Schaufeln dadurch wenig (wie überrissene Flügel, Stall nennt
man das beim Tragflügel eines Flugzeugs). Das Drehmoment welches
die hinteren Turbinenschaufeln erzeugen dürfte also allemal
größer sein, als das Gegenmoment des vorderen Verdichters. Die
Turbine würde anfangen sich richtig herum zu drehen. Irgendwann
würde die Drehzahl sogar so groß werden, dass der Verdichter
genügend Druck schafft, dass durch ihn die Luft garnicht mehr
falsch herum ausströmt sondern Luft von vorne nach hinten in die
richtige Richtung gefördert wird.

So müsste man so eine Turbine anlassen können - wobei ich glaube,
dass man das Anlassen eher mit einem E-Motor macht.

CU Rollo
Gernot Griese
2007-08-08 07:54:19 UTC
Permalink
Post by Roland Damm
So müsste man so eine Turbine anlassen können - wobei ich glaube,
dass man das Anlassen eher mit einem E-Motor macht.
Kleine Turbinen werden elektrisch gestartet, große tatsächlich mit
Druckluft.

Gruß,
Gernot
--
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Bernd Löffler
2007-08-12 10:35:03 UTC
Permalink
Tach
Post by Mark Ise
Hallo,
ich frage mich, wieso ein Strahltriebwerk so funktioniert, wie es das tut.
Das sich ausdehnende Gas in der Brennkammer erzeugt Druck nach vorne und
hinten. Wieso erzeugt es nach hinten mehr Druck?
in den Strahltriebwerken werden bei der Produktion Verkehrsschilder
"Einbahnstrasse" montiert und somit ist die Richtung vorgegeben

MfG

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