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Post by Holger BommKann mir jemand erklären, was geschieht, wenn ein Blitz in eine
Hochspannungsleitung einschlägt? Bemerkt das E-Werk etwas davon?
Und ist es im allgemeinen gefährlicher, sich auf einem offenen
Feld zwischen zwei Hochspannungsmasten aufzuhalten als zwischen
zwei vergleichbar großen Bäumen? Oder auch: Sollte man sich beim
Laufen sputen, wenn ein Gewitter aufkömmt und man sich gerade
zwischen ein paar Masten befindet?
Vielen Dank im Voraus! :-)
Ein Blitzschlag ist praktisch eine kurzzeitige Stromquelle mit einer
Stromstärke von einigen tausend bis zehntausende Ampère.
"Stromquelle" heißt: dem Blitz ist es egal, ob er durch leitfähige
Stoffe (Metall) oder Nichtleiter fließt, das beeinflußt die
Stromstärke gar nicht. Wenn der Stoff, der im Weg ist, widerspenstig
ist, wird er einfach verdampft auf gut 10.000 °C und selbst zum
Blitzkanal - da der Blitz einige Millionen Volt Spannung zur Verfügung
hat, ist das für den eine leichte Übung.
"Kurzzeitig" heißt: die Stromstärke erreicht schon innerhalb von
einigen 10 Mikrosekunden ihren Spitzenwert und klingt dann innerhalb
einer Millisekunde wieder auf Null ab - es können aber häufiger
innerhalb einer Sekunde mehrere Blitze hintereinander zünden
(Folgeentladungen, erkennbar am "Flackern" des Blitzes).
Diese raschen Stromänderungen führen dazu, daß man die entsprechenden
Ströme als Hochfrequenzströme betrachten muß - dafür gelten dann nicht
einfach die Gleichstromgesetze (Ohmsches Gesetz usw.), sondern man muß
die Wellenwiderstände von Leitungen betrachten.
Normalerweise sollten Blitze nicht in die aktiven Leiter von
Hochspannungsleitungen einschlagen, sondern in die dafür vorgesehenen
Erdseile, und sich dann über die Masten in die Erde verflüchtigen. Es
kommt aber gelegentlich eben doch vor. Wenn das passiert, dann bildet
der Blitzstrom auf dem Wellenwiderstand der Leitung (ca. 100 Ohm) eine
Spannungsstoßwelle aus, die sich mit Lichtgeschwindigkeit entlang der
Leitung ausbreitet. Die Höhe der Stoßspannung liegt
größenordnungsmäßig bei 100_Ohm*10_kA=1_MV; das hält die Isolation
natürlich nicht aus, deswegen springt der Blitz meistens sehr schnell
wieder von der Leitung ab und auf andere Leitungen oder die Erde über
- häufig geschieht das an den Isolatoren, die die Leitungen am Mast
festhalten.
Leider war es das für das E-Werk aber noch nicht: wenn ein
Spannungsüberschlag an einem Isolator stattgefunden hat, dann ist die
Luft im Überschlagskanal anschließend ionisiert und relativ gut
leitend - der Isolator bzw. die Luft daneben isoliert nicht mehr.
Deshalb fließt dann ein Kurzschlußstrom durch die so entstandene
Fehlerstelle, der nicht vom Blitzstrom herkommt, sondern aus der
Netzspannung (sog. Blitzfolgestrom, der betragsmäßig deutlich größer
als der zündende Blitzstrom werden kann).
Dagegen muß das E-Werk nun was machen und tut es auch: überall an den
Enden von Hochspannungsleitungen sind Stromwandler eingebaut, die den
aktuellen Leitungsstrom kontinuierlich messen - wenn plötzlich ein
Kurzschlußstrom auftritt, dann wird das als Fehler registriert (sog.
Schutzanregung), und das Netzschutzrelais (das ist das Gerät, das
diese Meßwerte automatisch auswertet) veranlaßt die Betätigung eines
Leistungsschalters, der den Strom auf der Leitung in
Sekundenbruchteilen kurzzeitig unterbricht, ggf. sogar mehrfach
hintereinander. Dadurch bekommt die Fehlerstelle keinen Strom mehr,
kühlt ab, und die Luft isoliert wieder. Wenn die Spannung dann wieder
eingeschaltet wird, funktioniert die Leitung normal weiter, die
Verbraucher merken davon normalerweise gar nichts. (Die
Schutzanregungen werden natürlich protokolliert.)
So verschwinden Blitzspannungen im Hochspannungsnetz normalerweise von
alleine wieder. Allerdings können solche Stoßwellen auch mal schwächer
ausfallen, wenn z. B. der Blitz nicht direkt in die Leitung
eingeschlagen hat, sondern nur in der Nähe, dann entstehen auf der
Leitung trotzdem Stoßwellen durch die Induktion und auch durch
Influenz. Solche Überspannungen können die Wicklungs-Isolation von
elektrischen Maschinen beschädigen. Deshalb gibt es im Netz auch noch
an den wichtigen Stellen (Trafos, Kabelenden) Überspannungsableiter,
die solche Stoßüberspannungen kurzschließen.
Was die Gefährdung durch Blitzschläge angeht: sie ist sehr real,
jährlich sterben in Deutschland ein Dutzend Menschen durch Blitzschlag
(allerdings vergleichsweise ca. 5.000 bei Straßenverkehrsunfällen).
Wenn man auf freiem Feld vom Gewitter überrascht wird und kurzfristig
keinen geschützten Platz erreichen kann, sollte man deswegen in die
Hocke gehen und sich hinkauern. So ein sicherer Platz ist aber
beispielsweise der Bereich unter Hochspannungsleitungen: der Boden
darunter ist durch sie sehr gut geschützt, sie wirken praktisch als
Blitzableiter.
Hingegen sollte man vor allem einzeln stehende Bäume meiden: weil sie
hoch sind, schlägt der Blitz in solche Bäume oft bevorzugt ein, aber
wegen der schlechten Leitfähigkeit des Holzes von ihnen auch gerne
wieder ab und trifft dann Menschen, die unter ihnen Schutz suchen.
Außerdem ist es oft vorgekommen, daß der Blitz das Holz stark erhitzt
und die Säfte im Baum verdampft hat - die Baumstämme sind dann quasi
explodiert, und Schutzsuchende wurden durch die wegfliegende
Holzstücke und herabfallende Äste verletzt. Also bleib bei Gewitter
von Bäumen weg!
Wo der Blitz einschlägt, entscheidet sich praktisch auf ungefähr den
letzten hundert Metern - dort sucht sich der Blitz den nächstgelegenen
geerdeten Punkt aus, unabhängig davon, ob der gut leitfähig ist oder
nicht (es gibt keine Substanzen, die "Blitze anziehen"). Wenn man
nicht selbst ein solcher Punkt sein möchte, dann entfernt man sich von
exponierten Punkten (Aussichtstürme, Bergkuppen usw.) und sucht
Vertiefungen im Gelände bzw. Täler oder Höhlen auf. Sinnvoll ist es
auch, von Metallzäunen oder Drähten mehr als zehn Meter Abstand zu
halten, weil die Blitzströme über größere Entfernungen weiterleiten
können.
Wenn man in einer Gruppe unterwegs ist und dann jemand vom Blitz
getroffen wird, ist es wichtig, sofort Erste Hilfe zu leisten:
Sicherstellung der Vitalfunktion (ggf. Künstliche Beatmung und
Herzmassage), stabile Seitenlagerung. Es muß unbedingt ein Notarzt
herbeigerufen werden, die Verletzungen sind sehr gefährlich und enden
zu beinahe zwei Dritteln der Fälle tödlich.
Die unmittelbare Gefahr bei Blitzschlägen ist übrigens meistens sehr
schnell vorbei: Blitze entstehen in sog. "Gewitterzellen" geringer
Ausdehnung (einige km), die üblicherweise rasch vorbeiziehen. Gefahr
ist gegeben, wenn die Einschläge näher als ca. 1 km kommen (Zeit
zwischen Blitz und Donner < 3s). Das dauert aber nur etwa eine
Viertelstunde lang, dann ist die Gewitterzelle normalerweise
weitergezogen.
Gruß aus Bremen
Ralf
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