Discussion:
Wie (lange) wird Pistolenpatrone/-kugel beschleunigt?
(zu alt für eine Antwort)
M. Hagedorn
2006-12-12 17:51:19 UTC
Permalink
Hi.
Man liest in diversen Physikbüchern oft Aufgaben a la:
Eine Gewehrkugel wir mit 4,5*10^3 m/s^2 beschleunigt und durchläuft
einen 100 cm langen Lauf ... usw.
Meine Frage ist: Stimmt diese Annahme so überhaupt? Dauert die
Beschleunigungsphase wirklich nur so lange dauert, wie die Kugel im Lauf
ist? Wie grob genähert ist die Annahme eigentlich, dass a=konst ist?
Der Druck, der sich hinter der Kugel aufbaut, braucht schließlich auch
"etwas" Zeit, bis er voll da ist. Und wenn die Kugel den Lauf verlassen
hat, kommt hinter ihr sozusagen die Druckwelle hinterher, so dass die
Kugel evtl. (?) noch etwas länger beschleunigt wird als nur im Lauf...
Wer weiß genaueres?
M.
Ralf Pfeifer
2006-12-12 20:32:57 UTC
Permalink
Post by M. Hagedorn
Hi.
Eine Gewehrkugel wir mit 4,5*10^3 m/s^2 beschleunigt und durchläuft
einen 100 cm langen Lauf ... usw.
Meine Frage ist: Stimmt diese Annahme so überhaupt? Dauert die
Beschleunigungsphase wirklich nur so lange dauert, wie die Kugel im Lauf
ist?
Im wesentlichen ja. Wenn die Kugel den Lauf verläßt, bricht der
treibende Gasdruck erst mal kräftig ein. Ich glaube, man nennt
das dann Mündungsfeuer.
Post by M. Hagedorn
Wie grob genähert ist die Annahme eigentlich, dass a=konst ist?
Vermutlich höchst grob. Aber ich vermute, sie ist zurückgerechnet
aus der Zeit zwischen Zündung der Patrone und dem Zeitpunkt, an dem
die Kugel den Lauf verlässt unter Verwendung der Münbdungsgeschwindigkeit.
Das ergibt eine konstante und durchschnittliche Beschleunigung, die
man dann auch in Lehrbüchern und Übungsaufgaben angeben kann.
Post by M. Hagedorn
Der Druck, der sich hinter der Kugel aufbaut, braucht schließlich auch
"etwas" Zeit, bis er voll da ist.
Die Ausbreitung erfolgt Schallgeschwindigkeit, würde ich vermuten.
wobei man die Schallgeschwindigkeit in einem sehr heißen Gas
zugrunde legen muss.
Post by M. Hagedorn
Und wenn die Kugel den Lauf verlassen
hat, kommt hinter ihr sozusagen die Druckwelle hinterher, so dass die
Kugel evtl. (?) noch etwas länger beschleunigt wird als nur im Lauf...
Theoretisch ja, aber ob es praktisch wirksam ist?
Post by M. Hagedorn
Wer weiß genaueres?
Warten wir mal, wer noch so postet.

Gruß, Ralf.
--
www.ArsTechnica.de --- www.ArsMartialis.com
Peter Niessen
2006-12-12 22:14:08 UTC
Permalink
Post by Ralf Pfeifer
Post by M. Hagedorn
Der Druck, der sich hinter der Kugel aufbaut, braucht schließlich auch
"etwas" Zeit, bis er voll da ist.
Die Ausbreitung erfolgt Schallgeschwindigkeit, würde ich vermuten.
wobei man die Schallgeschwindigkeit in einem sehr heißen Gas
zugrunde legen muss.
Wieso denn das?
Chemische Reaktionen können durchaus schneller Ablaufen als die
Schallgeschwindigkeit. Zu klären wäre da auch noch: Schallgeschwindigkeit
in was genau?
--
Mit freundlichen Grüssen
Peter Nießen
Kai-Martin Knaak
2006-12-13 06:27:16 UTC
Permalink
Post by Peter Niessen
Chemische Reaktionen können durchaus schneller Ablaufen als die
Schallgeschwindigkeit.
Das wäre eine Detonation. Zumindest ordinäres Schwarzpulver explodiert
nur. Die Reaktion breitet sich dabei durch eine Druckwelle aus.
Post by Peter Niessen
Zu klären wäre da auch noch: Schallgeschwindigkeit in was genau?
Jupp. Insbesondere kann die Reaktion weitgehend abgeschlossen sein, bevor
sich die Kugel großartig in Bewegung setzt. Aber ich bin wie die meisten
hier kein Pyrotechniker und weiß entsprechend nicht, wie die Verhältnisse
beim üblichen Gewehr sind.

In rec.pyrotechnics sollte passendes Spezialwissen vorhanden sein.

---<(kaimartin)>---
--
Kai-Martin Knaak
http://lilalaser.de/blog
DrStupid
2006-12-13 11:14:21 UTC
Permalink
Post by Kai-Martin Knaak
Post by Peter Niessen
Chemische Reaktionen können durchaus schneller Ablaufen als die
Schallgeschwindigkeit.
Das wäre eine Detonation.
Und die würde die Kugel nicht durch den Lauf schieben, sondern
pulverisieren - und das Gewehr gleich mit.
Post by Kai-Martin Knaak
Zumindest ordinäres Schwarzpulver explodiert
nur.
Auch eine Detonation ist eine Explosion. Was Du meinst, nennt man
Deflagration. Heute verwendet man übrigens kaum noch Schwarzpulver,
sondern rauchschwache "Pulver" wie Kordit.
Post by Kai-Martin Knaak
Die Reaktion breitet sich dabei durch eine Druckwelle aus.
Das ist bei einer Deflagration gerade nicht der Fall. Da breitet sich
die Reaktionszone durch thermische Aktivierung aus. Wenn die Druckwelle
stark genug wäre, um die Explosion zu initiieren, dann würde sich die
Reaktionszone mindestens mit Schallgeschwindigkeit ausbreiten und das
wäre dann eine Detonation. Bei einer Deflagration reicht der Druck dafür
nicht aus und er ist auch nicht groß genug, um das Projektil und die
Waffe zu zerstören, so dass erst die bei der Verbrennung entstehenden
Gasschwaden Wirkung zeigen. Und diese Wirkung besteht darin, das
Geschoss nach vorn und die Waffe nach hinten zu schieben.
Post by Kai-Martin Knaak
In rec.pyrotechnics sollte passendes Spezialwissen vorhanden sein.
Oder in z-netz.alt.pyrotechnik. Da ist seit der Hausdurchsuchungswelle
zwar nicht mehr viel los, aber da Sylvester vor der Tür steht, ist die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass zumindest jemand hineinschaut, der die
Frage beantworten kann.
Jürgen Clade
2006-12-13 14:58:19 UTC
Permalink
Post by Kai-Martin Knaak
Post by Peter Niessen
Zu klären wäre da auch noch: Schallgeschwindigkeit in was genau?
Jupp. Insbesondere kann die Reaktion weitgehend abgeschlossen sein, bevor
sich die Kugel großartig in Bewegung setzt. Aber ich bin wie die meisten
hier kein Pyrotechniker und weiß entsprechend nicht, wie die Verhältnisse
beim üblichen Gewehr sind.
In rec.pyrotechnics sollte passendes Spezialwissen vorhanden sein.
Ich habe daheim ein wenig Literatur zu Forensik, in der es auch Kapitel
über Schußwaffen und Munition gibt. Welche Schallgeschwindigkeit
relevant ist, bin ich mir jetzt nicht sicher, aber man sorgt dafür, daß
die Treibladung in der Patrone genau so lange zum Abbrennen benötigt,
wie sich das Projektil noch im Lauf befindet. Angetrieben wird es ja
durch die freigesetzten Verbrennungsgase, die man optimal nutzen möchte.

MfG,
Jürgen
angi
2006-12-12 23:34:04 UTC
Permalink
Post by M. Hagedorn
Hi.
Eine Gewehrkugel wir mit 4,5*10^3 m/s^2 beschleunigt und durchläuft
einen 100 cm langen Lauf ... usw.
Meine Frage ist: Stimmt diese Annahme so überhaupt? Dauert die
Beschleunigungsphase wirklich nur so lange dauert, wie die Kugel im Lauf
ist? Wie grob genähert ist die Annahme eigentlich, dass a=konst ist?
Der Druck, der sich hinter der Kugel aufbaut, braucht schließlich auch
"etwas" Zeit, bis er voll da ist. Und wenn die Kugel den Lauf verlassen
hat, kommt hinter ihr sozusagen die Druckwelle hinterher, so dass die
Kugel evtl. (?) noch etwas länger beschleunigt wird als nur im Lauf...
Wer weiß genaueres?
M.
Der Druck am Anfang beträgt um die 4000 bar und das geht dann auf rund
2000 bar während des Laufes zurück (Gewehr). Die Beschleunigung ist
also keineswegs konstant. Damit die Kugel nicht einfach herausploppt,
ist sie auch etwas größer als der Laufdurchmesser, sie klemmt also
zumindest am Anfang ganz ordentlich, damit sich der Druck auch voll
aufbauen kann.
Nach Verlassen des Laufes wird sie tatsächlich noch über etwa 10-20cm
weiterbeschleunigt, hat also hier erst die Höchstgeschwindigkeit.
Allerdings macht das nicht mehr viel aus.
Deine Vermutung ist also richtig.
Andreas Most
2006-12-13 10:23:47 UTC
Permalink
Post by angi
Der Druck am Anfang beträgt um die 4000 bar und das geht dann auf rund
2000 bar während des Laufes zurück (Gewehr). Die Beschleunigung ist
also keineswegs konstant. Damit die Kugel nicht einfach herausploppt,
ist sie auch etwas größer als der Laufdurchmesser, sie klemmt also
zumindest am Anfang ganz ordentlich, damit sich der Druck auch voll
aufbauen kann.
Auch bekannt unter dem Begriff "Rohrkrepierer".

[...]
David Kastrup
2006-12-12 23:43:50 UTC
Permalink
Post by M. Hagedorn
Hi.
Eine Gewehrkugel wir mit 4,5*10^3 m/s^2 beschleunigt und durchläuft
einen 100 cm langen Lauf ... usw.
Meine Frage ist: Stimmt diese Annahme so überhaupt? Dauert die
Beschleunigungsphase wirklich nur so lange dauert, wie die Kugel im
Lauf ist? Wie grob genähert ist die Annahme eigentlich, dass a=konst
ist?
Der Druck, der sich hinter der Kugel aufbaut, braucht schließlich auch
"etwas" Zeit, bis er voll da ist. Und wenn die Kugel den Lauf
verlassen hat, kommt hinter ihr sozusagen die Druckwelle hinterher, so
dass die Kugel evtl. (?) noch etwas länger beschleunigt wird als nur
im Lauf...
Wer weiß genaueres?
Aus dem Lauf, aus der Beschleunigung. Das ist schon einleuchtend.
Interessanter ist das Verhalten innerhalb des Laufes. Wir haben eine
Explosion, eine Treibreaktion, und eine gleichzeitige adiabatische
Entspannung durch den Vortrieb der Kugel.

Meine Schätzung wäre, daß die Beschleunigung über einen guten Teil des
Laufes eine ähnliche Größenordnung hat, und zwar nicht so sehr
zufälligerweise, sondern geplant: durch die Zusammensetzung des
Treibmittels und seine Anordnung.

Dadurch kann man die Kugel maximal beschleunigen, ohne daß sie dabei
in Stücke geht. Da konstante Beschleunigung der Kugel weitgehend
einem konstantem Druck entspricht, sollte das möglich sein über eine
Treibladung, deren Reaktion durch hohen Druck gedrosselt wird: dann
brennt sie im richtigen Tempo ab, um den Druck zu halten.
--
David Kastrup, Kriemhildstr. 15, 44793 Bochum
Uwe Hercksen
2006-12-13 16:54:11 UTC
Permalink
Post by David Kastrup
Dadurch kann man die Kugel maximal beschleunigen, ohne daß sie dabei
in Stücke geht. Da konstante Beschleunigung der Kugel weitgehend
einem konstantem Druck entspricht, sollte das möglich sein über eine
Treibladung, deren Reaktion durch hohen Druck gedrosselt wird: dann
brennt sie im richtigen Tempo ab, um den Druck zu halten.
Hallo,

wie soll die Kugel in Stücke gehen während sie noch im Lauf ist und
beschleunigt wird?
Da ist der Lauf selbst wohl erheblich mehr gefährdet.

Bye

Michael Dahms
2006-12-13 08:18:40 UTC
Permalink
Post by M. Hagedorn
Wie grob genähert ist die Annahme eigentlich, dass a=konst ist?
a ist proportional dem Druck. Bei Expansion nimmt der Druck ab.

Michael Dahms
Loading...